Sonntag, 07.12.2025

Produktive Stadt in Wiesbaden: Innenstädte neu denken zwischen Handwerk, Leerstand und Klima

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Am Dienstag, 2. Dezember, hat das Stadtmuseum sam im Haus der Architekten in Wiesbaden Experten aus Stadtplanung, Architektur, Forschung und Kultur zu einem DesignDialog versammelt. Unter der Moderation von Andrea Jürges diskutierten die Teilnehmenden das Leitbild der produktiven Stadt und mögliche Folgen für die Wiesbadener Innenstadt. Zu den Rednerinnen und Rednern zählten Francesca Ferguson, Constanze Paffrath, Philipp Krass und Torsten Becker; die Veranstaltung wurde von Sabine Philipp eröffnet.

Was unter produktiver Stadt verstanden wird

Im Zentrum der Debatte stand die Idee, dass Arbeiten und Wohnen nicht länger strikt getrennt sein sollten, sondern dass kleinteiliges Handwerk, lokale Produktion und urbane Landwirtschaft wieder zentraler werden können. Als erwartete Vorteile nannten Fachleute kürzere Wege, resilientere Quartiere, eine größere soziale Mischung und Impulse für eine nachhaltigere Stadtentwicklung.

Francesca Ferguson, Stadtforscherin und Leiterin der Initiative Make_Shift, erklärte, das Konzept reagiere auf drei gleichzeitige Probleme: den Mangel an Fachkräften im Handwerk, das Verschwinden von Kleinbetrieben aus Innenstädten und das Fehlen nachhaltiger urbaner Nahrungsmittelproduktion. Ihr zufolge ließen sich Erdgeschosse und Innenhöfe gezielt für Kleingewerbe öffnen. Die kreative Nutzung von Leerstand und flexible Mietformen wie Pop up Leases könnten Handwerk und Kleinbetriebe zurück ins Zentrum bringen und zugleich dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Positionen aus Verwaltung und Planung

Aus Sicht der kommunalen Planung betonte Constanze Paffrath vom Wiesbadener Stadtplanungsamt, die Stadtentwicklung müsse das Leitbild der europäischen Stadt als nachhaltige und attraktive Lebensform verfolgen. Die größte Herausforderung bestehe darin, Strategien zu entwickeln, die ein gerechtes und nachhaltiges Zusammenleben für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Der Architekt und Raumplaner Philipp Krass prognostizierte, dass Innenstädte in Zukunft weniger konsumorientiert sein werden, zugleich aber als Orte des Austauschs erhalten bleiben. Bildung, Kultur und verträgliche Produktion könnten in den Zentren Lücken füllen. In Wohnquartieren werde in Teilen wieder gearbeitet, was neue Anforderungen an die Infrastruktur und das Wohnumfeld mit sich bringe. Zugleich seien Anpassungen an den Klimawandel notwendig, die die Stadt grüner machen würden.

Torsten Becker von der Architektenkammer Hessen hob hervor, dass die produktive Stadt ein neues Innenstadtversprechen erfordere. Lebensmodelle und Arbeitswelten veränderten sich fortlaufend. Gute Planung müsse vorausschauend gestaltet und interdisziplinär vernetzt werden, um Akzeptanz für politische Ziele zu schaffen.

Ausblick für Wiesbaden und praktische Umsetzung

Der DesignDialog diente laut den Veranstaltern als Plattform für Austausch zwischen Fachleuten und Bürgerschaft. Das sam wurde als Ort beschrieben, der nicht nur die Vergangenheit reflektiert, sondern Impulse für gegenwärtige Stadtfragen geben will. Für 2026 kündigte die Direktorin Sabine Philipp ein weiteres Format im Rahmen der World Design Capital 2026 Frankfurt RheinMain an. Demnach soll das Erdgeschoss des ehemaligen Sportscheck Gebäudes in der Langgasse von Mai bis Ende Oktober als offener Begegnungsort genutzt werden, in dem verschiedene Projekte aus Wiesbaden und Umgebung gezeigt werden und Bürger zur Beteiligung eingeladen werden.

Die Diskussion in Wiesbaden machte deutlich, dass die produktive Stadt nicht nur ein planerisches Konzept ist, sondern einen sozialen und kulturellen Auftrag berührt. Konkrete Fragestellungen für die Stadt reichen von der Nutzung von Leerstand über die Stärkung des Handwerks bis zur Entwicklung klimafreundlicher Quartiere und der Integration nachhaltiger Kulturangebote.

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